Ich möchte euch auf eine kleine Reise mitnehmen – hinaus in die Natur, hinein in jene stillen Momente, in denen wir den Wesen um uns herum ein Stück näherkommen. Im Winter, wenn vieles ruht und sich zurückzieht, besuchen uns nicht nur Wildvögel, sondern auch andere Tiere, die unsere Nähe suchen oder einfach unseren Lebensraum teilen. Wir füttern, beobachten, staunen – und manchmal entsteht aus einem einzigen stillen Augenblick ein Foto, ein Gedanke, eine Inspiration oder sogar eine kleine Botschaft.
So sind auch diese Texte entstanden: aus der Verbundenheit mit der Natur, aus den Begegnungen, die oft leise beginnen, aber lange nachklingen. Jedes Tier, jeder Flügelschlag, jede Spur im Schnee erzählt eine Geschichte – und ich habe versucht, einige dieser Geschichten für euch einzufangen, zu beschreiben und am Ende intuitiv zu channeln.
Wir verbrauchen jeden Winter ungefähr 300 kg Vogelfutter und etwa 50 kg Nüsse für die Eichhörnchen – ein kleines Projekt der Liebe, das uns mit grosser Dankbarkeit erfüllt.
Wenn dir meine Arbeit gefällt und du mich unterstützen möchtest, freue ich mich sehr über eine kleine Spende. Jede Unterstützung hilft dabei, Futter zu kaufen, Fotos aufzunehmen, Texte zu schreiben und diese besonderen Momente mit euch zu teilen.
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Die Blaumeise

Wie sie lebt:
Im frühen Frühjahr, wenn die Knospen noch schlafen, legt die Meisenmutter sieben bis dreizehn winzige, rot gepunktete Eier in ein Nest aus Moos, Haaren und zarten Federn. Das Nest versteckt sie tief in einer Baumhöhle, in einem alten Spechtloch oder in einem von Menschen bereitgestellten Nistkasten – solche Gaben nimmt sie dankbar an. Nach vierzehn Tagen schlüpfen die Jungen, nackt und blind, und werden rund drei Wochen lang mit unermüdlicher Fürsorge gefüttert: Tausende Raupen, Spinnen und winzige Insekten trägt das Elternpaar herbei.
Eine Blaumeise kann, wenn sie Glück hat und der Winter milde ist, sechs bis acht Jahre alt werden; einzelne erreichen sogar zehn Jahre, auch wenn das selten vorkommt. Sie lebt in lichten Laub- und Mischwäldern, in Parkanlagen, Obstgärten und Dorfgärten – überall dort, wo alte Bäume und ein Hauch von Wildnis Raum haben. Im Winter schliesst sie sich bunten Trupps aus anderen Meisen und Kleinvögeln an und tanzt wie ein blauer Funke durch die kahlen Äste.
Was sie frisst, ist das zarte Grün des Lebens selbst: Raupen, Blattläuse, kleine Käfer – im Winter Sämereien und Beeren. Ihre besondere Gabe ist die Kunst des Kopfüber-Hängens: Mit kräftigen Zehen klammert sie sich an die dünnsten Zweige, dreht sich wie eine Akrobatin und pickt Beute, die anderen Vögeln verborgen bleibt. Ihre Flügel tragen sie in schnellen, wellenförmigen Bögen, und ihr Flug wirkt wie ein leises, fröhliches Lachen.

Wofür sie steht:
In den Dörfern des alten Europas galt die kleine Blaumeise als Botin des Frühlings und als Hüterin leiser Freude. Wo sie sich zeigte, sagten die Grossmütter, werde bald ein verborgenes Glück ans Licht flattern. Man nannte sie „Himmelströpfchen“, weil ihr blauer Scheitel wie ein Stück des klaren Märzhimmels wirkte, das sich auf die Erde verirrt hatte. In manchen Gegenden erzählte man sich, sie begleite verlorene Kinderseelen ans Licht zurück – ein Bild, das mehr aus der Volksdichtung stammt als aus geschichtlichem Brauchtum. Wer eine Blaumeise im Garten hatte, dem wurde nachgesagt, sein Haus stehe unter stillen Glücksgnaden.
Ihr Bezug zu einer Pflanze:
Die Blaumeise ist innig verbunden mit der Hasel. Im Frühjahr pickt sie die winzigen Raupen aus den jungen Haselblättern, im Herbst sucht sie nach Insekten in den trockenen Hüllblättern der Nüsse. Die Hasel schenkt ihr Schutz und Nahrung, und die Meise hilft, indem sie Insekten an der Hasel gering hält. So weben sie seit Jahrtausenden ein stilles Bündnis aus Himmelblau und zartem Grün.
Eine kleine Inspiration:
Nimm dir heute fünf Minuten, setz dich still hin und lausche. Vielleicht hörst du ihr zartes „zizi-bäh“ oder siehst ein blaues Flügelblitzen zwischen den Zweigen. Dann lächle – denn das ist ein Brief aus einer anderen, leichteren Welt, nur für dich geschrieben.
Was die Blaumeise uns mitteilen möchte:
Wenn ich zu deinem Fenster fliege, dann tue ich das nicht beiläufig. Ich wähle meine Orte, meine Augenblicke. Vielleicht siehst du nur ein kleines bläuliches Flimmern, ein kurzes Landen, ein sanftes Neigen meines Kopfes – doch ich komme nicht zufällig. Ich komme, weil ich spüre, dass etwas in dir bereit ist zu lauschen. Ich komme, weil jeder Mensch irgendwann eine Erinnerung braucht, die nicht von Worten stammt, sondern von Flügeln.
Du denkst vielleicht, ich sei nur ein winziger Vogel. Aber gerade das ist mein Geheimnis: Ich bin klein, damit du mich sehen kannst, ohne dich zu fürchten. Ich bin leicht, damit ich dich erinnern kann, ohne dich zu beschweren. Wenn ich auf einem Zweig vor deiner Nase sitze, dann sage ich dir – auf meine Art –: Hab keine Angst vor dem Kleinen. Das Kleine kann dich retten. Das Kleine kann eine ganze Nacht erhellen. Das Kleine kann ein Herz wieder öffnen, das sich schon zu lange geschlossen hat.
Ich zeige dir, wie weit man kommen kann, wenn man nicht schwer wird. Ich tanze selbst dann über die Äste, wenn der Wind grob mit mir spielt. Ich hänge kopfüber an den dünnsten Zweigen, weil die Welt von oben und unten betrachtet werden will. Du glaubst vielleicht, ich sei mutig, aber das bin ich nicht. Ich vertraue nur meinem Halt. Und das möchte ich dir zeigen: Wenn du weisst, was dich trägt, musst du die Höhe nicht fürchten.
Oft neige ich meinen Kopf hin und her, als würde ich in die Rinde lauschen. Aber eigentlich höre ich in den Tag hinein – ich suche das Leuchten. Jeder Funke Freude zieht mich an, so wie du einmal vom Licht angezogen wurdest, bevor du gelernt hast, mit den Augen der Erwachsenen zu sehen. Ich fliege dorthin, wo es glitzert, selbst wenn das Glitzern kaum grösser ist als der Staub auf einem Blatt. So möchte ich dich erinnern: Suche das Schöne, auch wenn es winzig ist. Es wartet auf dich, überall, mehr als du glaubst.
Ich bin neugierig – nicht, weil ich muss, sondern weil es mir die Welt öffnet. Jeder Zweig ist ein Weg. Jeder Schatten eine Frage. Jede Rinde eine Geschichte. Wenn ich hüpfe, schaue, lausche, wieder hüpfe, dann mache ich dir vor, was viele Menschen vergessen haben: Bewege dich, aber eile nicht. Sei wach, aber nicht ruhelos. Ich bin schnell, ja. Aber innerlich bin ich still. Und auch das möchte ich dir schenken: die Kunst, wendig zu sein, ohne dich zu verlieren.
Vielleicht spürst du manchmal, dass in meiner Nähe ein Hauch von etwas schwebt, das du nicht benennen kannst. Eine Art Erinnerung, die nicht von dieser Zeit ist. Ich trage sie in meinen Federn, so wie alle meiner Art. Wir Blaumeisen sind kleine Hüter des Übergangs – zwischen Schatten und Licht, zwischen Winter und Frühling, zwischen Kummer und Hoffnung. Wenn ich singe, mag es für dich leicht und hell klingen. Doch hör tiefer: In meinem Lied liegt ein Echo aus der Zeit, als du noch wusstest, wie man der Welt vertraut.
Vielleicht rühre ich in dir etwas an, das du dachtest längst verloren zu haben: deine Leichtigkeit, dein Staunen, deinen Mut, etwas Neues zu versuchen. Ich erinnere dich daran, dass du selbst einmal kleiner warst – und doch unendlich gross im Herzen.
Und wenn du traurig bist: Sing trotzdem. Nicht laut. Nicht perfekt. Nicht fröhlich, wenn dir nicht danach ist. Sing einfach nur, damit du spürst, dass du noch schwingst. Auch ich singe, selbst im härtesten Winter. Nicht aus Leichtsinn – ich kenne die Kälte gut. Aber ich singe, weil ich weiss, dass sie vergeht. In meinem kleinen Körper wohnt das Wissen um den Zyklus: Nichts bleibt, wie es ist. Und gerade deshalb lohnt es sich, weiterzusingen. Deine Stimme ist ein Licht, auch wenn sie leise ist.
Vielleicht fliege ich nach meinem Besuch wieder davon. Doch glaube nicht, dass ich einfach verschwinde. Wenn ich mich erhebe, lasse ich in der Luft einen Faden zurück – nicht sichtbar, aber spürbar. Einen feinen, warmen Riss im Grau deines Alltags. Vielleicht ist es nur ein Lächeln, das du plötzlich findest. Vielleicht ein Atemzug, der leichter fällt. Vielleicht eine kleine Sehnsucht, die wieder wach wird: nach dem, was möglich ist.
Du musst nicht nach grossen Wundern suchen. Ich bin gekommen, um dir zu zeigen, dass das Leben in den kleinen Zeichen spricht. In einem Flügelblitz. In einem Schatten, der sich bewegt. In einem Lied, das aus dem Nichts auftaucht. Achte auf das Kleine – dort versteckt sich oft das Entscheidende.
Und bevor ich weiterfliege, möchte ich dir noch eines anvertrauen:
Manchmal singe ich von Mut. Manchmal von Vertrauen. Manchmal von Neubeginn. Manchmal von so etwas wie Liebe – jener Art, die nichts verlangt, aber alles öffnet. Und manchmal, ganz selten, singe ich nur deinen Namen. Nicht mit Lauten, die du erkennst, sondern mit Schwingungen, die ein kleines Stück deines Herzens berühren. Damit du dich erinnerst: Wer du bist, wenn du leicht bist. Wer du bist, wenn du neugierig bist. Wer du bist, wenn dein Inneres fliegt. Ich bin nur ein winziger Vogel. Doch meine Botschaft ist gross: Du bist Teil eines Liedes, das grösser ist als jede Sorge. Und ich komme zu dir, um dich daran zu erinnern.